Hintergrund-Spielszene

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Q&A mit Amir Satvat, Publishing Producer bei Amazon Games

23.06.2022

Amir, wenn wir uns die Menschen ansehen, die es in der Spieleindustrie geschafft haben, dann gibt es da keine einheitliche persönliche Geschichte und keinen universellen Karriereweg. Kannst du uns erzählen, wie du zu Amazon Games gekommen bist?

Seit ich vier Jahre alt war, träumte ich davon, an Videospielen zu arbeiten. Ich nahm mir vor, mein Leben damit zu verbringen, mir Wissen über Videospiele anzueignen: Ich spielte über 2.100 Titel, las Fachzeitschriften und Foren, traf Leute aus der Branche und wollte verstehen, wie Spiele und die ganze Industrie darum herum – wie Merchandising, kompetitive Spiele und Transmedialität – funktionieren.

Nach meinem Collegeabschluss bewarb ich mich 15 Jahre lang auf Jobs in der Spieleindustrie. Die gab es auch, aber in der Regel an der Westküste, und dahin wollte ich nicht umziehen. Das Einzige, was mir noch wichtiger war als Spiele, waren meine Familie und Freunde, und die lebten vorwiegend in Neuengland.

Aber ich schwor mir, nie aufzugeben, und verfolgte in der Zwischenzeit andere spannende Optionen. Ich war über ein Jahrzehnt lang im Investment Banking bei Goldman Sachs tätig und arbeitete auch in der Geschäfts-/Unternehmensentwicklung und im strategischen/operativen Bereich bei Dell EMC, VMware, The Advisory Board und Veeam. Außerdem war ich fünf Jahre lang an Universitäten und machte drei Master-Abschlüsse. Ich wusste, dass berufliche Fähigkeiten variabel auf verschiedene Industrien anwendbar sind, und eignete mir einen Grundstock an Fertigkeiten an, die ich auch in der Spieleindustrie nutzen konnte.

Meine Karriere bei Amazon begann bei AWS als COO für das Inside-Sales- und Demand-Generation-Geschäft in Nord- und Südamerika. Ende 2020 wechselte ich mit voller Unterstützung meiner Vorgesetzten bei AWS als Business Development Lead zu Prime Gaming.

An Videospielen zu arbeiten, war immer mehr als ein Job – es war die Gelegenheit, Freunde aus der Spieleindustrie zu treffen und so über Branchenthemen zu sprechen, wie ich es schon immer tun wollte. Meine Zeit bei Prime Gaming machte das möglich.

Ich hatte aber noch einen weiteren Traum. Zwar war jeder Job, bei dem ich an Inhalten von Videospielen arbeitete, ein Erfolg, aber die Krönung war eine Rolle in der Spieleproduktion. Als ich meinen Vorgesetzten bei Prime Gaming von der Stelle erzählte, die ich jetzt habe, sagten sie: „Wir freuen uns total für dich und unterstützen dich.“

Es war eine fantastische Reise, seit ich mein erstes Videospiel gespielt habe (1985,Asteroids auf dem Atari 2600). Und Amazon spielte dabei eine entscheidende Rolle.


Was genau machst du als Principal Publishing Producer bei Amazon Games?

Als Publishing Producer für das Montrealer Studio von Amazon Games arbeite ich am engsten mit unserer Studioleitung und Produktionsleitung zusammen, um sicherzustellen, dass die Vision ihrer Teams für die Spieleproduktion möglichst reibungslos umgesetzt werden kann.

Ein wichtiger Teil davon ist die Verantwortung für alle Aspekte der Publishing-Produktion. Dazu gehört die Koordination zwischen dem Studio und den vielen Teilen unserer Publishing-Organisation, wie Marketing, Geschäfts- und Nachfrageplanung, Business Intelligence, Produktmanagement, Recht, Finanzen und mehr, um sicherzustellen, dass die nötigen Fortschritte in jedem Bereich rechtzeitig und im Rahmen des Budgets erreicht werden. Dieser Prozess kulminiert und wird getestet in verschiedenen betrieblichen Reviews und Produktions-„Gates“.

Neben meiner direkten Arbeit im Studio spiele ich auch Spiele meiner Kollegen, liefere Input und nehme an Spieletests teil. Außerdem helfe ich bei Strategie- und Planungsinitiativen auf Organisationsebene.


Woran arbeitest du gerade?

Momentan konzentriere ich mich auf drei Projektbereiche.

Erstens sind das alle Aspekte der traditionellen Publishing-Produktionsarbeit in unserem Studio in Montreal.

Zweitens glauben wir, dass die Nutzung der ganzen Power von Amazon durch Zusammenarbeit mit vielen anderen Organisationen innerhalb und außerhalb von Amazon Games unsere Geheimwaffe ist. Um das zu erreichen, führen wir regelmäßige Gespräche über alle Bereiche und Marken von Amazon hinweg.

Schließlich wurde ich von unserem Head of Production ermutigt, eine Führungsrolle bei Cross-Publishing-Aktivitäten zu übernehmen und Zusammenarbeit, Umfang und Reife unserer Organisation im Zuge unseres weiteren Wachstums zu verbessern. Dazu gehört etwa das Verfolgen von Tools für Entwicklung und Zusammenarbeit, das Erstellen von Mechanismen und Dokumenten für Aspekte unseres Produktionsprozesses und die Produktion eines zweiwöchigen Newsletters zu Neuigkeiten in Sachen Projekte und Organisation für Führungskräfte bei Amazon Games.


Was waren die bedeutendsten Spiele, die du je gespielt hast, und was spielst du aktuell?

Ich spiele immer ein wenig von allem und finde bei jedem Entwickler, Publisher und Genre etwas, das mir gefällt. Wenn ich mein Gamer-Leben aber in leicht überlappende Zeiträume einteilen und jeweils die wichtigsten Titel nennen sollte, würde das so aussehen:

Es begann mit Konsolen (1985-1991)

Der erste große Titel dieser Zeit war Pitfall!, Activisions erster Erfolg nach der Abspaltung seiner Entwickler von Atari. Dann kamen NES und SNES und ich spielte über 80 % aller jemals für diese beiden Plattformen erschienen Titel. Meine Favoriten waren die Spielereihen Mario und Zelda (Super Mario Bros. 1-3, Super Mario World, The Legend of Zelda, The Adventure of Link und A Link to the Past). Jeder dieser Titel hat ein Genre erschaffen oder neu erfunden.

Die Ära der Adventures (1989-1996)

Ich liebe auch PC-Spiele. In diesen Jahren dominierten auf dem PC Firmen wie Sierra On-Line, LucasArts, Westwood und Infocom mit Adventure-Spielen und Serien wie King’s Quest, Space Quest, Quest For Glory, Monkey Island, Maniac Mansion, Loom, The Legend of Kyrandia und Zork. Diese Titel zeigten mir, wie großartiges Geschichtenerzählen aussehen kann, und steckten voller Humor und Charakter.

3D-Konsolen, Breitbandanfänge (1997-2003)

Mit der fünften Konsolengeneration kam die Zeit von 3D. Da beeindruckten mich am meisten Super Mario 64, Ocarina of Time, Majora’s Mask und Final Fantasy VII, für das ich meine erste dedizierte Grafikkarte überhaupt gekauft habe. Außerdem konnte ich dank besseren Internetverbindungen endlich auch mit Freunden Half-Life online spielen, der beste Egoshooter, den ich seit DOOM zu finden.

Der Durchbruch von MMOs (2004-2012)

Ich hatte schon zuvor viele MMOs gespielt, wie Ultima Online, Shadow of Yserbius und mein geliebtes EverQuest, aber richtig in seinen Bann gezogen hat mich World of Warcraft (das Spiel, das ich am meisten überhaupt gespielt habe). Eine Zeit lang war ich sogar in einer Top-Raid-Gilde. In diesem Zeitraum stürzte ich mich voll auf MMOs und spielte Guild Wars 2, Final Fantasy XI, Star Wars: The Old Republic, Rift und WildStar.

Die Zeit der großartigen Indies (2013-2017)

In diesem Zeitraum erschienen unglaublich viele großartige Indie-Spiele. Ich liebte Cuphead, Journey, Stardew Valley, Shovel Knight und What Remains of Edith Finch. Diese Spiele haben die Messlatte dafür, was in Sachen Grafik und Sound von Spielen erwartet wird, noch mal nach oben gelegt.

Zeit für eine Switch (2018-heute)

Schließlich schloss sich in gewisser Weise der Kreis zu den alten NES/SNES-Tagen, als die Nintendo Switch veröffentlicht wurde, für die ich am Erscheinungstag ab 3 Uhr morgens vor einem Target campierte. Ja, ich bin ein Nintendo-Superfan. Ich wollte jeden wichtigen First-Party-Exklusivtitel spielen und habe das großteils geschafft. Zu meinen Favoriten gehören Super Mario Odyssey, Breath of the Wild, Fire Emblem: The Three Houses und Animal Crossing: New Horizons. Mit der Switch kann ich auch familienfreundlichere Spiele wie Lego Star Wars: The Skywalker Saga und Mario Kart 8 Deluxe spielen (nachdem wir jetzt selbst Kinder haben).


Welchen Rat würdest du Leuten geben, die in der Spielebranche arbeiten möchten?

Es ist nie zu früh, eine Karriere in der Videospieleindustrie zu planen.

Egal, wie alt ihr seid, und auch wenn es viel länger dauert, einen Job zu finden, könnt ihr bereits anfangen, Spiele zu spielen und euch darüber zu informieren. Als Mindestanforderung solltet ihr immer versuchen, ein umfangreiches Wissen über die Branche zu haben, in der ihr arbeiten wollt.

Stellt euch dann eine Reihe von Fragen, die euren Karriereplan stark beeinflussen werden:

1. Welche Rolle will ich einnehmen?

Arbeitgeber schätzen es, wenn Bewerber sich bereits im Voraus überlegen, welche Arten von Jobs ihnen am besten gefallen könnten. Besucht Karriereseiten von Spieleentwicklern. Das zeigt nicht nur, dass ihr euch bei eurer Suche Gedanken gemacht habt, sondern engt auch die Anzahl der Stellen ein, die ihr euch anseht.

2. Bin ich bereit, umzuziehen?

In Orten wie Los Angeles/Südkalifornien, San Francisco, Austin, Montreal und Seattle gibt es viel mehr Spielejobs als anderswo. Viele Studios bieten zwar auch Telearbeit an, aber viele auch nicht. Wenn ihr – im Gegensatz zu mir – bereit seid, umzuziehen, könnt ihr eure Erfolgschancen erhöhen.

3. Bin ich bereit, bei einem größeren Unternehmen anfangs in einer anderen Rolle abseits von Spielen zu arbeiten und dann zu Spielen zu wechseln?

Wenn ihr Probleme habt, in der Spieleindustrie Fuß zu fassen, ist es meiner Erfahrung nach viel leichter, intern zu wechseln als sich weiterhin als totaler Außenseiter zu bewerben. Wenn ihr bereit seid, einige Jahre in einer anderen Rolle zu arbeiten und euch dann auf einen Spielejob im gleichen Unternehmen zu bewerben, kann das eure Erfolgschancen deutlich erhöhen.

4. Bewerbe ich mich auf genug Jobs?

Mir fällt regelmäßig auf, dass sich Bewerber auf einen „Traumjob“ festlegen und sich nicht mal annähernd auf genug Stellen bewerben. Bei meinen Versuchen, in die Spieleindustrie zu kommen, bewarb ich mich jährlich auf 100 bis 150 Stellen (insgesamt waren es weit über 2.000), um eine zu finden, bei der ich über das Internet von der Ostküste aus arbeiten konnte. Positionen in der Spieleindustrie gehören zu den gefragtesten Jobs überhaupt und ihr müsst euch einfach dahinterklemmen. Versucht, 5 bis 10 hochwertige Bewerbungen im Monat zu schreiben, nicht nur 1 oder 2.

5. Was kann gerade ich einem Arbeitgeber bieten außer einer Leidenschaft für Spiele?

Die meisten Bewerber sagen, dass sie eine Leidenschaft für Spiele haben. Seht zu, dass ihr darüber hinaus noch mehr als zwei gute Argumente für euch habt, mit denen ihr euch von der Masse abhebt und die ihr überzeugend vorbringen könnt.

6. Liebe ich Spiele wirklich oder ist es nur ein Wochenendhobby für mich?

In der Spieleindustrie findet man alle möglichen Typen von Leuten. Unsere Vielfalt ist unsere größte Stärke und ich kenne Leute mit über 20 Jahren Erfahrung in der Branche, die überhaupt keine Videospiele spielen. Meiner Erfahrung nach bleiben aber in der Regel jene länger in der Branche, die eine große Leidenschaft für Spiele haben und ständig an sie denken wollen. Ich schlage vor, einige Stunden pro Woche in einer Raid-Gruppe oder PvP-Gruppe zu spielen oder einfach mal einige Wochen lang fünfmal so viel zu spielen wie sonst, um zu sehen, ob euch Spiele dann immer noch Spaß machen.